Plädoyer für ein bedingungsloses
                  Grundeinkommen 
                           
Es ist uns nicht gelungen, unsere Ethik schnell genug unseren veränderten Lebens-
umständen anzupassen. Die nackte Wahrheit ist, dass wir die meisten schlecht quali-
fizierten Arbeitskräfte weder jetzt noch später brauchen: die sehr jungen, die sehr alten,
die extrem ungebildeten und die extrem dummen. (Margaret Mead. The World Abead:
An Anthropoligist Anticipates the Future)
 
 
Wir stehen zu Beginn des 21.Jahrhunderts an einem Scheideweg
für die Menschheit. Entweder wir schaffen es, unsere Gesellschaft,
und damit uns selbst, zu verändern und eine wirkliche Gemein-
schaft zu werden, oder aber werden wir uns gegenseitig vernich-
ten.  (Michael Morris)
Wir nähern uns einer Zeit, in der Maschinen den Menschen in fast allen Arbeits-
bereichen überlegen sein werden. Die Gesellschaft sollte sich mit folgender Frage
beschäftigen, ehe es zu spät ist: Wenn Maschinen dazu in der Lage sind, nahezu alle
Arbeiten zu übernehmen, die bisher Menschen erledigen, was werden die Menschen
dann machen? (Moshe Vardi, Professor an der Rice University in Texas)
     
Eines steht außer Streit: durch die fortschreitende Entwicklung der Technik
(Computer, Rotober, Maschinen, die durch “künstliche Intelligenz” immer “ef-
fektiver” werden, 3D-Drucker etc.) wird Schwerarbeit und eintönige Arbeit in
Zukunft immer mehr durch computergesteuerte Maschinen oder Roboter
ersetzt werden.
Das ist an und für sich gut und begrüßenswert. Auf der anderen Seite bedeutet
das aber auch, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten immer mehr Ar-
beitsplätze wegfallen werden. Schon jetzt gibt es in allen Industrieländern ein
“Heer von Arbeitslosen” - und ein Hauptgrund dafür ist die fortschreitende
Automatisierung und Digitalisierung und der zunehmende Einsatz von Roboter
(doch das wird in Politik und Medien verschwiegen... !?) Jeder, der älter als
fünfzig ist, weiß jedenfalls, dass es in den 1980er- und 1990er Jahren wes-
entlich einfacher war, einen Job zu finden und Geld zu verdienen.
Michael Morris schreibt dazu: “Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit schaf-
fen keine neuen Jobs, sondern vernichten sie! Der Sinn dieser Maßnahmen ist
es ja gerade, Kosten einzusparen, und das gelingt am einfachsten, wenn man
bei den Arbeitskräften spart. Wenn es anders wäre, dann hätten wir heute in
Europa und in den USA nicht so erschreckend hohe Arbeitslosenraten. Ich
finde es unsäglich, dass Gewerkschaften ihre Mitglieder, die Menschen deren
Interessen sie vertreten sollten, so dermaßen hinters Licht führen.” (Morris*,
S.127)
Massenarbeitlosigkeit scheint also in naher Zukunft äußerst real. Gemäß Ex-
perten könnten in absehbarer Zeit sogar 80 Prozent aller Jobs in der west-
lichen Welt wegfallen…
Eigentlich wäre das ein Grund zum Jubeln: endlich könnte ein alter Mensch-
heitstraum wahr werden: nämlich ein sorgenfreies, selbstbestimmtes Leben im
Wohlstand ohne (fremdbestimmter) (Lohn-)Arbeit… !!!  Ein Leben, in dem die
Menschen genug freie Zeit hätten, um „höheren“ Interessen und Tätigkeiten
nachzugehen -  sei es Wissensaneignung und -Weitergabe, Forschung, soziale
Tätigkeiten oder auch künstlerische und sportliche Aktivitäten.
Allerdings müßte hierzu endlich die Politik und die Regierungen tätig werden
und die Rahmenbedingungen für ein solches (neuartiges)Gesellschaftsleben
schaffen!!! Ein erster Schritt dazu wäre die Einführung eines garantierten
Grundeinkommens für alle.                 
Warum ist ein bedingungsloses Grundeinkommen so wichtig? Und
kann es tatsächlich umgesetzt werden?
Der deutsche Philosoph Bernhard H.F.Taureck schreibt dazu: „Wir sind eine
Arbeitsgesellschaft, die zunehmend alle mit dem Ausschluss von Arbeitsmög-
lichkeiten bedroht.  In Frankreich sagt man dafür „precarisation“, was sich mit
„Instabil werden“ übersetzen lässt. Das Wort „precarisation“ oder „Prekarisie-
rung“ weist zurück auf das Lateinische „precarius“, das „durch Bitten erlan-
gen“ bedeutet. Diejenigen, die ihre Arbeit geben wollen (und demnach „Arbeit-
geber“ heißen müssten), werden zu Bittstellern.
Die Frage ist nicht: „Wie schaffen wir – durch mehr Staatsausgaben oder
durch Billiglöhne und Steuerreformen – für möglichst viele möglichst viel Ar-
beit?“ Sie lautet vielmehr: „Warum halten wir eigentlich an der Erwerbstätig-
keit als unbedingt gültigen Wert fest, obgleich seit Längerem durch die Tat
bewiesen wird, dass mit verhältnismäßig geringer menschlicher Arbeit riesige
Gegenwerte produziert werden und folglich auch auf Dauer produziert werden
können?“....
Welche Folgen hätte eine Aufhebung der Zwangs(Lohn-)Arbeit voraussichtlich
für uns und unsere Gesellschaft und Kultur?....
Damit ein bedingungsloses Grundeinkommen tatsächlich funktioniert, müsste
dieses allerdings ausreichend hoch sein, um davon leben zu können. Modelle
wie Workfare” sind abzulehnen...
Und es darf nicht an Bedingungen geknüpft sein...
Welche politischen Maßnahmen wären konkret erforderlich für eine
erfolgreiche Umsetzung?
Gemäß dem österreichischen Soziologen Georg Vobruba wäre zuerst eine
Entflechtung von Arbeit und Essen erforderlich. Der erste Schritt hierzu ist
die Einführung von gewissen Sozialleistungen. Die Einführung eines garan-
tierten Grundeinkommens wäre quasi die letzte und dritte Phase ...
Der Arbeitsmarkt sollte bei dieser “Entflechtung von Arbeit und Essen” aber
nicht ersetzt werden (zum Beispiel durch eine „Arbeitspflicht für alle“).  Gleich-
zeitig müssten Maßnahmen gesetzt werden, um die sogenannte “Armutsfalle
zu vermeiden....
Mit einem garantierten Grundeinkommen würden außerdem neue Kontroll-
notwendigkeiten entstehen...
Das garantierte Grundeinkommen hat außerdem arbeitsmarkt- und arbeitszeit-
politische Effekte, die berücksichtigt werden müssen. Insbesondere bedarf es 
gemäß Vobruba der “arbeitszeitpolitischen Flankierung” (generelle Kürzung
der Arbeitszeit ), um sinnvoll zu funktionieren (und dadurch würde es erstmals
möglich Arbeitskraft wirklich „marktgemäß“ anzubieten) ...
 
Michael Opielka wiederum weist in seinen Schriften darauf hin, dass die
Forderung eines garantierten Grundeinkommens sinnlos ist, wenn sie nicht
derart konzipiert und mit anderen Forderungen verkoppelt wird, dass sie in-
nerhalb des kapitalistischen Systems zwar realisierbar ist, aber „über das ka-
pitalistisch-industrialistische System hinausweist. Eine dieser Forderungen ist
zum Beispiel das Recht auf eigene Produktivmittel“ ... 
 Vom 18. bis 25. November gab es übrigens in Österreich ein Volksbegehren
für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Mehr dazu
siehe https://www.kleinezeitung.at/oesterreich/ 5715658/Bedingungsloses-Grundeinkommen_
Am-18-November-startet-Volksbegehren  
Allerdings stieß dieses bei der
Bevölkerung auf kein großes Interesse ....
Was durchaus verständlich ist, da ein Grundeinkommen für alle  - wie wir
gesehen haben - durchaus auch Gefahren und Tücken beinhaltet, wenn es
nicht richtig umgesetzt wird. Außerdem müsste dieses Thema verstärkt von
den Medien und der Politik aufgegriffen und erklärt werden, wie ein solches
konkret umgesetzt werden könnte ...
Eines ist jedenfalls angesichts des technischen Fortschrittes sicher: das
bedingungslose Grundeinkommen für alle wird früher oder später kommen.
Denn nur so könnte Massen-Arbeitslosigkeit vermieden und Wohlstand für  
alle geschaffen werden.
Auch André Gorz sieht die Einführung eines solchen früher oder später als
unabdingbar, da „die gesellschaftliche Produktion immer weniger „Arbeit“
erfordert und immer weniger Lohn ausschüttet. Die kapitalistische Wirtschaft
führt diese Schwierigkeit auf „einen Mangel an Arbeit“ zurück. Damit wird die
wirkliche Situation verdunkelt, denn sichtlich mangelt es nicht an „Arbeit“,
sondern an der Verteilung des Reichtums, für dessen Erwirtschaftung das
Kapital immer weniger Arbeit braucht....
Es ist jedenfalls unbestreitbar, dass der Kapitalismus nun, Anfang des 21.
Jahrhunderts, in eine Sackgasse (Krise) geraten. Das bedingungslose
Grundeinkommen könnte der Ausweg aus dieser Sackgasse sein.
Mehr zum Kapitalismus siehe ....
sowie Kritik an kapitalistischen System ...
Quellenangabe:
Bedingungsloses Grundeinkommen, Grundlagentexte, Herausgegeben von Philip Kovce
und Birger P.Priddat”, 2019, Suhrkamp Verlag Berlin,
Michael Morris, „Die einen nennen es Fake News, die anderen Enthüllungen“,
2017, Amadeus Verlag
19.11.2019
letzte Änderung: 12.12.19