Andre Gorz sieht die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens
früher oder später als unabdingbar , da „die gesellschaftliche Produktion (den
Notwendigen und des Überflüssigen) immer weniger „Arbeit“ erfordert und
immer weniger Lohn ausschüttet, und es deshalb zunehmend schwieriger wird,
sich ein ausreichendes und festes Einkommen über eine bezahlte Arbeit zu
sichern.
Der Diskurs des Kapitals führt diese Schwierigkeit auf „einen Mangel an
Arbeit“ zurück. Damit verdunkelt er die wirkliche Situation, denn sichtlich
mangelt es nicht an „Arbeit“, sondern an der Verteilung des Reichtums, für
dessen Erwirtschaftung das Kapital immer weniger Arbeit braucht.
Um dem abzuhelfen, gilt es selbstverständlich nicht, „Arbeit zu schaffen“;
vielmehr, so gut es irgend geht, alle gesellschaftlich notwendige Arbeit und
den gesamten gesellschaftlich produzierten Reichtum zu verteilen.
In der Folge kann dann wiederum das, was der Kapitalismus künstlich ver-
schmolz und verwirrte, von neuem getrennt werden: Das Recht auf ein aus-
reichendes und sicheres Einkommen muss nicht mehr an einer dauerhaften
und festen Stelle hängen und das Bedürfnis, zu wirken, zu werken und von
anderen anerkannt zu werden, nicht mehr die Form einer bezahlten und
fremdbestimmten Arbeit annehmen.
Diese wird im Gegenteil einen immer geringeren Stellenwert im gesellschaft-
lichen Leben und im Leben der Einzlenen besitzen. Im Lebensalltag können
sich dann vielfache Aktivitäten gegenseitig ablösen und abwechseln, ohne
dass deren Entlohnung und Rentabilität noch notwendige Bedingung oder gar
ihr Ziel wären.
Die sozialen Beziehungen, die Kooperationszusammenhänge, ja der Lebens-
sinn eines und einer jeden werden nur mehr durch diese nicht vom Kapital
verwerteten und aufgewerteten Aktivitäten hervorgebracht. Die Arbeitszeit
hört schließlich auf, die gesellschaftlich vorrangige Zeit zu sein.
So sehen , noch sehr schematisch, die Umrisse der Gesellschaft und der Zivili-
sation aus, die ein Jenseits der Lohngesellschaft fordern. Sie entsprechen dem
aktuellen kulturellen Wandel und dem Verlangen nach einem multiaktiven Le-
ben, worin jeder der Arbeit den ihr angemessenen Platz einräumen kann und
nicht wie bisher das Leben auf Freiräume zu beschränken hat, die die Zwänge
der „Arbeit“ noch übriglassen.
Das aber setzt einen politischen Bruch auf der Höhe jenes ideologischen
Bruchs voraus, der von den kulturellen Veränderungen undeutlich gespiegelt
wird. Es setzt voraus, dass das Bedürfnis, zu handeln und gesellschaftlich
anerkannt zu werden, sich von bezahlter und fremdbestimmter „Arbeit“ unab-
hängig macht, dass die Arbeit sich aus der Herrschaft des Kapitals befreit und
dass die Einzelnen sich von der Beherrschung durch die Arbeit emanzipieren,
um sich in der Vielfalt ihrer mannigfaltigen Aktivitäten zu entfalten.
Es setzt mit einem Wort das Ende jener Verwirrung voraus, auf die das Kapital
seine ideologische Vorherrschaft und seine Macht gründet.