Kapitalismus bezeichnet zum einen eine spezifische Wirtschafts- und Gesell-
schaftsordnung, zum anderen eine Epoche der Wirtschaftsgeschichte. Allge-
mein wird unter Kapitalismus eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ver-
standen, die auf Privateigentum an den Produktionsmitteln und einer Steuer-
ung von Produktion und Konsum über den Markt beruht.
Als weitere konstitutive Merkmale werden genannt: die Akkumulation, für
manche das „Herzstück“, Hauptmerkmal und Leitprinzip des Kapitalismus,
„freie Lohnarbeit“ und das „Streben nach Gewinn im kontinuierlichen, ra-
tionalen kapitalistischen Betrieb“.
Als Epoche der Wirtschaftsgeschichte versteht man unter Kapitalismus eine
wirtschaftsgeschichtliche Periode, die im 17. Jahrhundert beginnt und heute
noch andauert. Sie folgte auf die Epochen des Feudalismus des europäischen
Mittelalters bzw. des Merkantilismus zur Zeit des Absolutismus. In historischer
Betrachtung wird dabei die Epoche des Kapitalismus in unterschiedliche
Phasen oder Entwicklungsstufen eingeteilt.
Schumpeter urteilte, die „Maschine Kapitalismus“ funktioniere nicht schlecht.
Ihr Antrieb sei das freie Unternehmertum; gerade der Erfolg, der sich auch in
Monopolen zeige, bringe es jedoch mit sich, dass der Kapitalismus seine ei-
gene soziale Struktur, die ihn schützt und stützt, immer wieder zerstört.
Schumpeter sah zwar die Möglichkeit zur ständigen Erneuerung, ging aber
in Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (1942) davon aus, dass der
Kapitalismus letztendlich an seinen Erfolgen zugrunde ginge.
Er sah ihn zunächst als Motor der gesellschaftlichen Entwicklung. Jedoch
produziere er zunehmend einen Wasserkopf bürokratischer Strukturen und
eine „Krise des Steuerstaats“ (indem er den Staat zu schwächen unternehme).
Die Automatisierung des technischen Fortschritts führe zu immer größerer
Kapitalkonzentration und diese schließlich zur Aushöhlung der Vertragsfreiheit
durch kollektive Absprachen.
Einschlägige Lexika der Soziologie definieren den Kapitalismus als Wirt-
schafts- und Gesellschaftsordnung mit den Merkmalen: Güterproduktion unter
Bedingungen des Privateigentums an den Produktionsmitteln, über das eine
Minderheit verfügt, während die Mehrheit ein Lohnarbeitsverhältnis eingehen
muss. Triebkraft der wirtschaftlichen Prozesse ist das Interesse der Produk-
tionsmittelbesitzer an der Vermehrung des eingesetzten Kapitals, d. h. an
Profitmaximierung und Akkumulation.
Laut Duden Wirtschaft ist „Kapitalismus“ ein unter den Produktions- und
Arbeitsbedingungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts und des beginnenden
19. Jahrhunderts geprägter Begriff. Er beschreibe eine Wirtschafts- und Gesell-
schaftsordnung, in der Privateigentum an Produktionsmitteln, das Prinzip der
Gewinnmaximierung und Marktwirtschaft typisch sind, wobei Kapitalbesitz die
Voraussetzung für die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel und das
Weisungsrecht über die Arbeitskräfte ist. Die Arbeiter waren typischerweise
besitzlos und von den wenigen Kapitalbesitzern wirtschaftlich abhängig. Die
Gesellschafts- und Wirtschaftsverhältnisse der damaligen Zeit seien mit den
gegenwärtigen Produktionsbedingungen nicht zu vergleichen.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Wirtschaftsordnungen der westli-
chen Industrieländer durch eine große Anzahl von Sozial- und Wirtschaftsge-
setzen reformiert und starke Gewerkschaften sorgten für einen Kräfteausgleich
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Auch habe der wirtschaftlich-tech-
nische Fortschritt gerade in marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnungen zu er-
heblichen sozialen Fortschritten geführt und für große Teile der Bevölkerung
seien solide Wohlstandsverhältnisse entstanden. Der Begriff Kapitalismus be-
schreibe deshalb die heute existierende marktwirtschaftliche Wirtschaftsor-
dnung der westlichen Industrieländer nicht richtig.
Für Franz Oppenheimer und seinen Schüler Ludwig Erhard war Kapitalismus
ein Wirtschaftssystem, das Ungleichheit geradezu statuiere:
„Etwas hat mich so tief beeindruckt, daß es für mich unverlierbar ist, nämlich
die Auseinandersetzung mit den gesellschaftspolitischen Fragen unserer Zeit.
Er erkannte den »Kapitalismus« als das Prinzip, das zur Ungleichheit führt, ja
das die Ungleichheit geradezu statuiert, obwohl ihm gewiß nichts ferner lag als
eine öde Gleichmacherei.
Auf der anderen Seite verabscheute er den Kommunismus, weil er zwangs-
läufig zur Unfreiheit führt. Es müsse einen Weg geben – einen dritten Weg –,
der eine glückliche Synthese, einen Ausweg bedeutet. Ich habe es, fast seinem
Auftrag gemäß, versucht, in der Sozialen Marktwirtschaft versucht, einen nicht
sentimentalen, sondern einen realistischen Weg aufzuzeigen.“
– Ludwig Erhard: Franz Oppenheimer, dem Lehrer und Freund
Für Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack ging es dabei um die Frage der
Sozialen Gerechtigkeit, darüber hinaus sahen sie Reallohnsteigerungen in Hö-
he des Produktivitätsfortschritts aber auch als notwendig an, damit Angebot
und Nachfrage zum Ausgleich kommen.
Thomas Piketty analysierte in seinem vieldiskutierten Buch Le capital au XXIe
siecle (deutsch Das Kapital im 21. Jahrhundert) 2013, dass Ungleichheit ein
notwendiges Merkmal des Kapitalismus sei, wenn der Staat nicht korrigierend
eingreife.
Der Industriekapitalismus nahm seinen Ausgang in dem am Ende des 18. Jahr-
hunderts entstehenden Fabriksystem, und zwar in den Baumwollspinnereien
Englands. Die gleichzeitig mit der Industriellen Revolution entstandenen Fabri-
ken konnten dank der mechanischen Spinnmaschine (Spinning Jenny) den
Engpass in der Nachfrage nach zu Garn gesponnener Baumwolle beseitigen
und vollends mit der weiteren Erfindung des mechanischen Webstuhls eine
gewaltige Produktionssteigerung bei der Erzeugung von gewebten Textilien
herbeiführen, für die es auf den Binnen- und Außenmärkten eine große Nach-
frage gab. Auch in Branchen der Metallerzeugung und anderen Gewerben wur-
den Fabriken für eine neue Klasse „industrieller Kapitalisten“ zu Profit gene-
rierenden Anlageobjekten. In ihnen erstellten Lohnarbeiter in einer neuen, ma-
schinenvermittelten Arbeitsteilung ein „gesellschaftliches“ Produkt.
Während Marx (wie die Klassiker) noch davon ausging, dass unter dem Regime
der kapitalistischen Produktionsweise den Lohnarbeitern nur ein Lohn gezahlt
würde, der zur Reproduktion ihrer Arbeitskraft erforderlich sei, zwangen die
Arbeiter durch ihre kollektive Organisierung in Gewerkschaften und Arbeiter-
parteien die ökonomischen Eliten, sie an den erzielten Produktionsfortschritten
und Wohlstandsgewinnen des sich entfaltenden Industriekapitalismus zu betei-
ligen.
Deshalb traten prognostizierte Verelendungstendenzen der Arbeiterklasse –
ebenso wie die sich zuspitzenden Klassenkämpfe mit einem proletarischen
Umsturz der kapitalistischen Produktionsweise (Weltrevolution) – bisher nicht
in dem von Marxisten erwarteten Ausmaß ein. Stattdessen wurde der Industrie-
kapitalismus im 19. und 20. Jahrhundert zur weltweit dominierenden Gesell-
schaftsformation, obwohl zeitweilig auch nichtkapitalistische Industriege-
sellschaften im sowjetischen Herrschaftsbereich und nach nationalen Re-
volutionen in ehemaligen Kolonialgebieten entstanden.
Die Ungleichheit des Reichtums und der Entwicklungschancen war das große
Thema der klassischen Ökonomen Thomas Malthus, David Ricardo sowie Karl
Marx, von denen jeder argumentiert hat, dass die wirtschaftliche Entwicklung
letztlich die gesellschaftlichen Gegensätze verschärfen müsste. Doch haben
sie den technologischen Wandel unterschätzt, der letztlich allen Schichten ei-
ne deutliche Wohlstandszunahme beschert hat.
In den vergangenen 300 Jahren ist die Weltwirtschaft inflationsbereinigt im
Schnitt um 1,6 Prozent jährlich gewachsen. Die Vermögen jedoch wuchsen
schneller. Historisch gesehen liegt deren Wachstumsrate eher bei vier Prozent,
wenn man die Erträge vor Abzug der Steuern betrachtet.
Laut Thomas Piketty war die Vermögenswachstumsrate bis zum 19. Jahrhun-
dert in der Geschichte tatsächlich meist größer als die der Wirtschaft und da-
mit des Gesamteinkommens und wird es seiner Ansicht nach auch im 21. Jahr-
hundert bleiben. Die größere Gleichheit in dieser Beziehung im 20. Jahrhundert
bis nach dessen Mitte erklärt sich Piketty mit den großen politischen Umwälz-
ungen, den Weltkriegen und den schweren Wirtschaftskrisen dieser Zeit, die
den hergebrachten Vermögen deutlich zugesetzt haben.
Spätes 19. und frühes 20. Jahrhundert
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird die Rolle von Bankiers und Financiers
zunehmend bedeutender. Monopole und Kartelle häufen sich; die Unterneh-
menseigentümer delegieren den Produktionsprozess an Manager. Das Banken-
system, die Unternehmensverflechtungen und der Aktienmarkt werden zuneh-
mend komplexer. In marxistischer Diktion wird diese Phase auch als Zeit des
„Finanzkapitalismus“, „Monopolkapitalismus“ oder „Staatsmonopolkapita-
lismus“ bezeichnet.
Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts werden Boom und Depres-
sionen (1857/58, 1873) zum sich häufenden Problem. Auch außerhalb der
marxistischen Geschichtsdeutung wird auf die enorme Zahl von Monopolen
und Trusts hingewiesen.
Weltwirtschaftskrise und Stabilisierung
Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich ein Finanzkapitalismus entwickelt,
der keiner Kontrolle unterlag. Dieser brach in der Weltwirtschaftskrise begin-
nend ab 1929 zusammen. Es entwickelte sich eine schwere weltweite Rezes-
sion zu einer Phase der Depression. Der Staat musste eingreifen und schuf
Institutionen der Stabilisierung. In den USA erfolgten im Rahmen des New
Deal unter Präsident Franklin D. Roosevelt bedeutende Wirtschafts- und
Sozialreformen.
Auch die Soziale Marktwirtschaft war das Resultat eines gesellschaftlichen
Lernprozesses, der durch die Weltwirtschaftskrise angestoßen worden war.
Die ordnungspolitische Alternative hatte sich in Deutschland bereits Mitte der
1930er Jahre auf die Alternativen zwischen „gelenkter Marktwirtschaft“ ordo-
liberalen Typs und der „marktwirtschaftlichen Lenkungswirtschaft“ keynesi-
anischen Typs verengt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg begründeten vor allem Ludwig Erhard und Alfred
Müller-Armack in Regierungsverantwortung die Soziale Marktwirtschaft. An-
stelle eines reinen bzw. ungezügelten Kapitalismus sollte staatliche Rahmen-
setzung das Funktionieren der Marktwirtschaft absichern.
Diese Idee beruhte auf ordoliberalen Theorien. Die Soziale Marktwirtschaft
sollte der Verwirklichung von sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit
dienen. Nach Erhards Vorstellung sollte eine gut funktionierende, weil gelenk-
te Marktwirtschaft Wohlstand für alle bringen. Eine breite Vermögensbildung
aller Gesellschaftsschichten sollte als Volkskapitalismus gefördert werden.
Seine Zielvorstellung war die Utopie einer entproletarisierten Gesellschaft von
Eigentumsbürgern die staatlicher Sozialpolitik nicht mehr bedürften. In der
Praxis kam der Volkskapitalismus jedoch nicht voran, es wuchs vielmehr die
Einsicht in die Unzulänglichkeit der sich aus dem Marktmechanismus ergeb-
enden Verteilung von Einkommen und Vermögen.
Bereits in den 1950er Jahren war der Trend zur Ungleichverteilung von Ein-
kommen und Vermögen mit Händen greifbar. Trotz relativ niedriger Beiträge
waren die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung für die Alters-
vorsorge der Arbeitnehmer wichtiger als jede andere Einkunftsquelle und das
Volumen der gesetzlichen Rentenversicherung übertraf bei weitem das Volu-
men der Vermögensbildung der privaten Haushalte.
Die bismarcksche Sozialstaatlichkeit wurde deshalb nicht nur beibehalten,
sondern ausgebaut. Die Formel Soziale Marktwirtschaft wurde seit 1957 von
der Erhardschen Auslegung als Volkskapitalismus zu einer Marktwirtschaft mit
eigenständiger Sozialstaatlichkeit umgedeutet. Erst dadurch wurde der Begriff
Soziale Marktwirtschaft zur zentralen Konsens- und Friedensformel des
mittleren Weges.
Das so entstandene deutsche Kapitalismusmodell wird auch als Rheinischer
Kapitalismus bezeichnet.
Globalisierung und Zerfall des Realsozialismus
Die Geschichte des Kapitalismus war stets eng mit der Internationalisierung
des Handels verknüpft. Der Prozess des Abbaus von Handelsschranken (GATT
1948) und die daraus folgende internationale Verflechtung des Handels und
Kapitalverkehrs, insbesondere seit Abschaffung des Bretton-Woods-Systems,
werden als Globalisierung bezeichnet. Einige Autoren bestreiten jedoch, dass
die Globalisierung im 20. Jahrhundert stärker als in früheren Epochen ist.
Die Folgen dieser Entwicklung sind umstritten: Globalisierungskritiker machen
den Kapitalismus für die Fortdauer oder Verschärfung der weltweiten Kluft
zwischen Arm und Reich verantwortlich. Globalisierungsbefürworter machen
dagegen geltend, dass die Übernahme des westlichen Wirtschaftssystems und
der Abbau von Handelsschranken die einzige Möglichkeit sei, Armut einzudäm-
men, und sprechen angesichts des globalen Bevölkerungswachstums von der
„Unvermeidlichkeit des Kapitalismus“.
Nach dem Untergang der Sowjetunion und des Realsozialismus sprachen eini-
ge Beobachter vom Ende der Geschichte, bei dem Kapitalismus und Demo-
kratie als einzige Regierungs- und Wirtschaftssysteme überlebt hätten.
Nach Ende des Globalisierungsoptimismus nimmt seit einigen Jahren die
Diskussion darüber an Intensität zu, ob Kapitalismus und Demokratie lang-
fristig vereinbar sind.
Die US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff prägte
den Begriff Überwachungskapitalismus und sieht darin eine analoge Ent-
wicklung wie im Industriekapitalismus.
Varianten des Kapitalismus in der Diskussion
Karl Marx verwendet selbst kaum den Begriff Kapitalismus. In der marxis-
tischen Tradition fand er indessen nicht nur eine breite Rezeption, sondern
erfuhr auch eine Auffächerung in Varianten wie Organisierter Kapitalismus,
Neo- und Spätkapitalismus, Finanz- und Konkurrenzkapitalismus oder auch
Monopol- und Staatsmonopolistischer Kapitalismus.
In den jüngeren Diskussionen der Wirtschaftswissenschaft und der Soziologie
wurden weitere neue Komposita geprägt, die zum Teil große Resonanz in der
Öffentlichkeit erfahren haben, wie etwa Rheinischer Kapitalismus, Kasino-Kapi-
talismus, Finanzmarkt-Kapitalismus und Turbokapitalismus sowie die politi-
schen Schlagwörter wie Killerkapitalismus, Raubtierkapitalismus oder Heu-
schreckenkapitalismus.
Zudem wurden realsozialistische Wirtschaftssysteme innerhalb der Linken
kritisch auch als Staatskapitalismus beschrieben.
Quelle: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Kapitalismus)