Kriegsrecht - von Opposition verhindert:
Es war ein gewagten Schritt, der die ohnehin angespannte politische
Lage Südkoreas weiter verschärfte: Präsident Yoon Suk Yeol hat am
3.Dezember das Kriegsrecht ausgerufen.
Der konservative Staatschef begründet diesen drastischen Schritt mit
schwerwiegenden Vorwürfen gegen die Opposition: Sie betreibe
„staatsfeindliche Aktivitäten“ und plane einen „Aufstand“. In einer
landesweit übertragenen Fernsehansprache behauptete Yoon: „Das
Kriegsrecht zielt darauf ab, pro-nordkoreanische Kräfte zu beseitigen
und die verfassungsmäßige Ordnung der Freiheit zu schützen.“
Der unmittelbare Auslöser für diese extreme Maßnahme scheint ein
Haushaltsstreit zu sein. Die oppositionelle Demokratische Partei hat-
te im parlamentarischen Haushaltsausschuss eine gekürzte Version des
Budgets durchgesetzt und zusätzlich Amtsenthebungsanträge gegen
einen Staatsrechnungsprüfer sowie den Generalstaatsanwalt eingereicht.
Allerdings: Nicht nur von der Opposition kam scharfe Kritik an der
Ausrufung des Kriegsrechts - selbst der Vorsitzende von Yoons regie-
render Volkspartei, Han Dong-hoon, distanzierte sich von der Ent-
scheidung des Präsidenten. „Die Verhängung des Kriegsrechts ist fal-
sch“, erklärte Han und kündigte an, „gemeinsam mit dem Volk gegen
diese Maßnahme Widerstand zu leisten“ …
Auch die Opposition reagierte umgehend:
Sie kritisierte die Ausrufung des Kriegsrechts als Verstoß gegen die
Verfassung. Das Land werde künftig von Panzern und Soldaten regiert,
warnte der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Lee Jae Myung.
Seine Partei verfügt im Parlament über die Mehrheit.
Bei einer Abstimmung am späten Dienstagabend (3.12.) forderte das
Parlament, dass das Kriegsrecht aufgehoben wird, wie live im Fern-
sehen zu sehen war. 190 der 300 Abgeordneten waren anwesend. Und
vor dem (abgeriegelten) Parlamentsgebäude kam es Medienberichten
zufolge zu Protesten.
Daraufhin hat Präsident Yoon Suk Yeol angekündigt, das von ihm
ausgerufene Kriegsrecht wieder aufzuheben: „Soeben hat die National-
versammlung die Aufhebung des Ausnahmezustands gefordert, und wir
haben das Militär abgezogen, das für den Einsatz unter Kriegsrecht ein-
gesetzt war“, sagte Yoon in einer Fernsehansprache. „Wir werden der
Bitte der Nationalversammlung nachkommen und das Kriegsrecht in
einer Kabinettssitzung aufheben.“ …
Doch damit ist die Sache noch längst nicht ausgestanden - im Gegenteil:
Die Opposition leitete ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsi-
denten ein, zudem wurden Ermittlungen wegen Hochverrats eingelei-
tet …
Und aus Angst vor einem weiteren Putsch des Präsidenten, beschlossen
die Oppositionsabgeordneten, bis zur Prüfung des Amtsenthebungs-
antrags am Samstagabend (7.12.) im Plenarsaal zu kampieren. „Die
kommenden Stunden sind extrem gefährlich. Diese Nacht wird der kri-
tischste Moment sein“, sagte Oppositionsführer Lee. Zudem waren
Demonstrationen am Samstag vor dem Parlament angekündigt, die
Organisatoren rechneten mit 200.000 Teilnehmern …
Unmittelbar vor der Abstimmung über das Amtsenthebungsverfahren hat
sich der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol bei seinem Volk für
das vorübergehende Verhängen des Kriegsrechts entschuldigt. In einer
live im Fernsehen übertragenen Rede versprach Yoon zudem, dass es so
etwas unter seiner Führung nicht wieder geben werde …
Daraufhin ist das Amtsenthebung gegen den Präsidenten im Parl-
ament gescheitert: Der von der Opposition eingebrachte Antrag gegen
den Staatschef verfehlte am 7.12. die erforderliche Mindestzahl von 200
Stimmen, nachdem die meisten Abgeordneten von Yoons Partei die
Abstimmung boykottiert hatten.
Die Opposition kündigte jedoch vorab einen neuen Versuch an. Und
auch der öffentliche Druck gegen den 63-Jährigen dürfte auch in den
kommenden Tagen nicht nachlassen. Vor dem Parlamentsgebäude waren
erneut viele Demonstranten, die lautstark eine Amtsenthebung von
Yoon forderten …
Zudem hat die südkoreanische Staatsanwaltschaft nun (8.12.) den ehe-
maligen Verteidigungsminister Kim Yong Hyun verhaften lassen, es
wird wegen Hochverrats ermittelt. Der 65-Jährige, der am Mittwoch
seinen Rücktritt anbot und am Folgetag durch einen neuen Minister
ersetzt wurde, war ein offener Befürworter der inzwischen zurückge-
nommenen Entscheidung des Präsidenten, das Kriegsrecht auszu-
rufen …
Die Verhängung des Kriegsrechts markiert einen gefährlichen
Wendepunkt in der südkoreanischen Demokratie. Sie erinnert vie-
le Südkoreaner an die dunklen Zeiten der Militärdiktatur und stellt die
demokratischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte in Frage. Die
kommenden Tage werden zeigen, ob das Land seine bisher schwerste
demokratische Bewährungsprobe bestehen kann.
Auch international löste die Ausrufung des Kriegsrechts in Südko-
rea Besorgnis aus. Denn Südkorea befindet sich mit Nordkorea tech-
nisch gesehen seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 formell weiter
im Kriegszustand, da der Konflikt mit einem Waffenstillstand und
nicht mit einem Friedensvertrag endete. Die beiden Länder trennt
eine etwa vier Kilometer breite entmilitarisierte Zone.
Doch es steckt mehr dahinter: denn Südkoreas Präsident Yoon ist in
Bezug auf Nordkorea ein „kriegerischer Falke“ - und hat zuletzt die
militärische Unterstützung der Ukraine gegen Russland erwägt, außer-
dem hat er die Pläne der USA für ein trilaterales Bündnis zwischen
ihnen und Japan unterstützt. Aber all dies könnte sich ändern, wenn
er nach vorgezogenen Wahlen von der Opposition abgelöst wird, was
einen amerikanischen „Dreh zurück nach Asien“ erschweren würde …
Der Putschversuch muss gemäß Thierry Meyssan außerdem im Zusam-
menhang mit der Schlägerei im taiwanesischen Parlament im Mai und
insbesondere mit der Ernennung eines militaristischen und negationist-
ischen Premierministers in Japan bewertet werden. Wie in der Ukraine
und in Israel haben die Kriegstreiber, die sich anscheinend „mit Sehn-
sucht an den Zweiten Weltkrieg erinnern“, einen Staatsstreich versucht.
Gott sei Dank ist dieser offenbar misslungen. Allerdings sind neben der
Ukraine (Zelensky) und Israel (Netanjahu) auch in Japan und Taiwan
Militaristen und Kriegstreiber an der Macht …
News 14.12.:
Präsident Yoon Suk Yeol nun doch vom Parlament des
Amtes enthoben: Am 14.12. erhielt ein von der Opposition einge-
brachter Antrag beim zweiten Anlauf die benötigte Zweidrittelmehr-
heit in der Nationalversammlung. Allerdings hat das letzte Wort hier
laut Medienberichten das Verfassungsgericht, dieses muss die Amts-
enthebung noch bestätigen (könnte dieses aber auch noch aufheben …)
Gegen Yoon laufen indessen auch strafrechtliche Ermittlungen
wegen des Vorwurfs des Aufruhrs. Razzien gab es am Mittwoch
(11.12.) zudem auch bei der nationalen Polizeibehörde, der Stadt-
polizei in Seoul und im Sicherheitsdienst der Nationalversammlung.
Der nationale Polizeichef Cho Ji Ho und der Chef der Stadtpolizei wur-
den verhaftet. Laut der Nachrichtenagentur Yonhap hatte er nach der
rechtswidrigen Ausrufung des Kriegsrechts die Polizei angewiesen,
Abgeordnete am Betreten des Parlaments zu hindern …
Vor dem Parlament hatten sich übrigens rund 200.000 Demons-
tranten versammelt. Sie brachen in Jubel – und viele auch in Tränen
der Freude und Erleichterung - aus, als die Absetzung des Präsidenten
verkündet wurde …
12.12.2024
aktualisiert 14.12.24
Südkorea
Präsident Yoon Suk Yeol
ruft Kriegsrecht aus
Südkoreanisches
Parlament …
Präsident Yoon Suk Yeol
widerruft das Kriegsrecht…
Verteidungsminister
wurde verhaftet …
Parlament wurde von
der Polizei abgeriegelt …
Präsident Yoon Suk Yeol
nun doch des Amtes
enthoben …