Nirgendwo in China ist die Armutsquote so hoch wie in Hongkong.
Rund 20 Prozent der Hongkonger Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze.
Im gesamten China lag die Armutsquote 2016 nur bei 3,14 Prozent. Allerdings ist
die gesetzliche Armutsdefinition in Hongkong und der übrigen Volksrepublik u. a.
aufgrund verschiedener Lebenshaltungskosten eine andere. Arm in Hongkong im
Sinne der amtliche Statistik war, wer weniger als die Hälfte des Durchschnittsein-
kommens verdiente. Für eine Einzelperson in Hongkong lag die Armutsgrenze
2016 bei 4.000 HK$ (umgerechnet rund 512 US$) pro Monat. Die Armutsgrenze
in der Volksrepublik China lag 2016 bei 2300 Yuan (nach offiziellem Umrech-
nungskurs ungefähr 350 US$) pro Jahr.
Im Jahr 2016 stieg die Zahl in Hongkong auf 1,35 Millionen Armutsbetroffene.
Rund 30 Prozent der Hongkonger lebten 2017 in einer Sozial- oder sozialgeför-
derte Wohnung. 40 Prozent der Hongkonger beziehen Sozialhilfe. Diese gibt es
erst seit Anfang der 2000er Jahre. Der Höchstsatz für Sozialhilfeempfänger betrug
2017 umgerechnet rund 500 Euro. Fast die Hälfte der Sozialhilfeleistungen entfällt
für ein Bett im Käfig, das sich Betroffene mit bis zu sieben weiteren Personen
teilen müssen. Diese Menschen leben in großer Armut.
Hongkong hat mit 51,5 Stunden im Schnitt die längsten Arbeitszeiten der Welt.
Nirgendwo wird in China mehr gestreikt als in Hongkong. Nach der offiziellen
Statistik betrug der Median des Monatseinkommens im Mai/Juni 2017 16.800
HK$ . Das Einkommen ist aber äußerst ungleich verteilt. Der Arbeitsmarkt ist stark
auf Arbeit im Dienstleistungssektor und Bürojobs ausgerichtet, wobei Anforderung
und Entlohnung eine weite Spreizung aufweisen.
So wurden 2016 für einfache Büroarbeiten maximal umgerechnet 600 Euro ge-
zahlt, die kaum die Wohnungsmiete finanzieren. Auf der anderen Seite erhielten
Manager von Banken und multinationalen Konzernen zum monatlich durch-
schnittlichen Festgehalt in Höhe von rund 20.000 Euro Krankenversicher-
ungsschutz, Rentenvorsorge, Zuschüsse für sowohl Mieten und Schulgelder
für deren Kinder o. Ä. als auch Mitgliedschaften in exklusiven Clubs.
Die Mehrzahl der Büroangestellten in der öffentlichen Verwaltung, bei Banken
und Versicherungen verdienen monatlich rund 3.000 Euro. Von größerem Inter-
esse sind nichtmonetäre Vergünstigungen. So gewähren internationale Unterneh-
men ihren Angestellten tendenziell mehr Urlaub, haben eine Fünftageswoche, ver-
langen weniger Überstunden, zahlen oftmals auch im Krankheitsfall und bieten da-
rüber hinaus eine größere Arbeitsplatzsicherheit.
Wer mit 22 oder 23 Jahren von der Universität kommt, konnte 2016 in Hongkong
mit einem Anfangsgehalt von umgerechnet rund 1.500 bis 1.700 Euro kalkulieren.
Das ist niedriger als in Festlandchina, weshalb junge Menschen Hongkong zu-
nehmend insbesondere in Richtung Shenzhen verlassen. Auch die Mehrzahl der
Manager verdient brutto zwischenzeitlich in etwa gleich viel wie auf dem chin-
esischen Festland.
Mit finanzieller Unterstützung der Nationalregierung in Peking für
Sozialleistungen ist die Hongkonger Lokalregierung bemüht, die große
Ungleichheit abzubauen. Insbesondere Parteien, die der Kommunistischen Partei
Chinas (KPCh) nahestehen, konnten im Hongkonger Legislativrat 2011 die Ein-
führung eines Mindestlohns durchsetzen, der seit 2015 bei einem Stundenlohn von
umgerechnet 3,59 Euro beziehungsweise monatlich 1.466 Euro liegt. Lange über
die Zeit der britischen Kolonialregierung hinaus, besaßen Arbeitnehmer in Hong-
kong keinerlei Rechte.
Die Hong Kong Employment Ordinance regeln erst seit 2014 arbeitsrechtliche
Minimalbestimmungen, entsprechen jedoch noch nicht den auf dem Festland
geltenden Arbeitsvertrags- und Arbeitssicherheitsgesetzen.
Anders als im restlichen China bestand in Hongkong 2017 keine Krankenver-
sicherungspflicht. Jedoch werden inzwischen von den meisten Arbeitgebern in
Hongkong zusätzliche Prämien für private Krankenversicherungen gezahlt. Eine
gesetzliche Altersvorsorge wurde erst im Jahr 2000 in Hongkong eingeführt.
Seitdem sind Unternehmen in Hongkong wie überall in der Volksrepublik China
verpflichtet, Beiträge in einen staatlichen Pensionsfonds abzuführen.
Die KPCh selbst ist auf Grundlage der bis 2047 geltenden chinesisch-britischen
gemeinsamen Erklärung zu Hongkong in Hongkong verboten. Jedoch stellen
inzwischen sogenannte „Pro-Peking-Parteien“ mehr als die Hälfte der Parlamen-
tarier des Legislativrats, der gesetzgebenden Versammlung Hongkongs. Tatsäch-
lich erhalten laut Wikipedia pro-chinesische Parteien in Hongkong die Mehrheit
der Wählerstimmen, sowohl von der Bevölkerung wie von chinesisch-stämmigen
Unternehmern.
Ideologische Themen, wenig Bereitschaft für die Verabschiedung von Sozial-
gesetzen und ständig neue Parteigründungen führten dazu, dass „Anti-Peking-
Parteien“, die sich als „Demokratisches Lager“ bezeichnen und maßgeblich
von internationalen Konzernen in Hongkong finanziert werden, stetig an
Stimmen und Rückhalt in der Bevölkerung verloren. Hingegen werden die
„Pro-Peking-Parteien“ zunehmend finanziell von der chinesischen Geschäftswelt
in Hongkong unterstützt.
Vor diesem Hintergrund richten sich viele Proteste und Forderungen nach
mehr demokratischer Mitbestimmung in Hongkong primär nicht gegen
Peking, sondern gegen die soziale Ungerechtigkeit und vor allem gegen das
in Hongkong bestehende Wahlsystem, bei welchem Konzerne einen direkten
Einfluss auf Abgeordnete besitzen.