Die Glaubenslehre der Bahai-Religion:
Menschen- und Gottesbild
Die „vernunftbegabte Seele“ stellt laut Bahai-Lehre die wahre Identität
des Menschen dar – eine Wirklichkeit, die unabhängig ist von Gesch-
lecht und ethnischer Zugehörigkeit.
Der Mensch wird als „Bergwerk reich an Edelsteinen von unschätz-
barem Wert“ angesehen, ausgestattet mit Talenten und Fähigkeiten.
Durch Bildung und mithilfe seines freien Willens kann der Mensch seine
edle Natur kultivieren und folglich zur Besserung der Gesellschaft bei-
tragen.
Der tiefere Sinn des Lebens für Einzelne liegt laut Bahāʾullāh darin,
Gott anzuerkennen, zu lieben und näher zu kommen. Dieser Zweck
kann durch ein freigebiges Leben erfüllt werden, in dem sowohl Gebet
und Meditation als auch der praktische Dienst an der Gesellschaft we-
sentlich sind. Nach dem physischen Tod lebt die individuelle Seele laut
Bahai-Lehre unabhängig von Raum und Zeit weiter und setzt ihre ewige
Reise zu Gott fort.
In den Bahai-Schriften wird Gott als allliebender und allwissender
Schöpfer des Universums beschrieben. Die Wirklichkeit Gottes zu
verstehen, ist für den menschlichen Verstand unmöglich, da das Erschaf-
fene seinen Schöpfer nicht begreifen kann.
Die Manifestationen Gottes – darunter Abraham, Moses, Zarathustra,
Krishna, Siddhartha Gautama, Jesus Christus, Mohammed, der Bāb und
Bahāʾullāh – vermitteln dem Menschen das Wissen um Gott und seinen
Willen.
Bahāʾullāh beschreibt zudem, dass der Mensch in der Natur die Eigen-
schaften Gottes erkennen kann. In der ganzen Schöpfung ist jedoch nur
der Mensch dazu fähig, alle göttlichen Attribute widerzuspiegeln. Zu
diesen zählen Gerechtigkeit, Liebe, Großzügigkeit und Wahrhaftigkeit.
Religionsverständnis
Das kalligraphische Ringsymbol (بهاء bahā', DMG bahāʾ ‚Herrlichkeit,
Anmut, Glanz, Schönheit‘, Bahai-Transkription Bahá) zeigt drei Ebenen:
die Ebene Gottes, die Ebene der Religionsstifter und die Ebene der
Menschheit. Diese Ebenen werden durch die Offenbarung miteinander
verbunden.
Die Bahai-Schriften betrachten die Stifter der Weltreligionen als Boten
desselben Gottes. Alle sind von Gott gesandt, um die Entwicklung der
Menschheit entsprechend den Nöten der jeweiligen Zeit zu fördern. Sie
haben die Menschen dazu angespornt, ihren Charakter zu veredeln und
sich in immer größeren und komplexeren Gesellschaften zu vereinen.
„Ist es nicht das Ziel jeder Offenbarung, eine Wandlung und Änderung
in der ganzen Wesensart der Menschheit zu bewirken, eine Wandlung,
die sich äußerlich wie innerlich erweisen und das innere Leben wie die
äußeren Verhältnisse gestalten soll?“
– Bahāʾullāh
Konflikte im Namen von Religion stehen für die Bahai daher im Wi-
derspruch zum wahren Zweck von Religion. Heute steht die Mensch-
heit an der Schwelle zur kollektiven Reife, die durch die Einheit der
gesamten Menschheit in ihrer Vielfalt zum Ausdruck kommt.
In den Schriften Bahāʾullāhs sehen die Bahai die Grundlage und den Im-
puls, die Neugestaltung der weltweiten Gesellschaft gemäß den Anford-
erungen dieser Entwicklungsstufe zu fördern. Die Stifter der Religionen
der Welt werden von Bahāʾullāh als Manifestationen dieses einen Gottes
bezeichnet. Diese fördern sowohl den Charakter des Menschen als auch
die Entwicklung der Gesellschaft gemäß den Nöten der jeweiligen Zeit.
Die Bahai erkennen den Anspruch Bahāʾullāhs an, der jüngste in
dieser fortschreitenden Reihe an Boten Gottes zu sein. In seinen Schrif-
ten entfalte sich eine Vision für den Aufbau einer dauerhaft friedvollen
und gerechten Welt.
Die Komplementarität von Wissenschaft und Religion gilt als eines der
zentralen Prinzipien des Bahai-Glaubens. Religion ohne Wissenschaft
arte in Aberglauben und Fanatismus aus, während Wissenschaft ohne
Religion zu Materialismus führe. Beide in Einklang zu bringen, ist
demnach Voraussetzung für zivilisatorischen Fortschritt.
Universeller Friede und Einheit der Menschheit
Universeller Friede ist laut Bahai-Schriften das höchste Ziel der
Menschheit. Um diesen Frieden zu erreichen, ist es notwendig, eine
Reihe an Prinzipien praktisch umzusetzen.
Als solche werden unter anderem die Abschaffung aller Formen von
Vorurteilen, die Harmonie zwischen Religion und Wissenschaft, die
Gleichheit von Mann und Frau, die unabhängige Suche nach
Wahrheit, die Annahme einer Welthilfssprache, die Abschaffung der
Extreme von Reichtum und Armut, weltweiter Zugang zu Bildung und
die zentrale Bedeutung des Grundsatzes der Gerechtigkeit auf allen
Ebenen genannt.
„Der Dreh- und Angelpunkt“ der Bahai-Lehre ist das Prinzip der
Einheit der gesamten Menschheit. Darunter verstehen die Bahai die
Überzeugung, dass alle Menschen zu einer einzigen Menschheitsfa-
milie gehören.
Statt um Ressourcen zu konkurrieren, sollten die unterschiedlichen
Teile der Gesellschaft – wie die verschiedenen Zellen im menschlichen
Körper – zusammenarbeiten und ihr eigenes Wohl im Wohl der gesam-
ten Menschheit sehen.
Bahāʾullāh ruft dazu auf, die Erde als „nur ein Land und alle Men-
schen [als] seine Bürger“ zu betrachten.
Das Prinzip der Einheit der Menschheit bedeutet nach Bahai-Lehre
nicht Uniformität, sondern geht mit einer Wertschätzung von Diver-
sität einher.
Die menschliche Familie in all ihrer Vielfalt könne mit den verschie-
denen Blumen eines Gartens verglichen werden. Obwohl diese in Farbe
und Form variieren mögen, würden sie alle „vom selben Frühlingsschau-
er erfrischt, vom gleichen Windhauch belebt [und] von den Strahlen ein
und derselben Sonne“ gestärkt.
So sind auch die Angehörigen unterschiedlicher Religionen, Ethnien
und Nationen angesprochen, einander als Mitglieder einer vielfältigen
Menschheitsfamilie zu begegnen.
Die Glaubenspraxis der Bahai basiert auf dem Prinzip, dass das Leben
des Menschen von zwei Zielen geprägt ist, die wechselseitig aufeinander
wirken: die eigene geistige und intellektuelle Entwicklung zu fördern
und zum konstruktiven Wandel der Gesellschaft beizutragen.
„Der Mensch ist organisch mit der Welt verbunden. Sein inneres Leben
gestaltet die Umwelt und wird zutiefst von ihr beeinflusst. Eins wirkt auf
das andere, und jede bleibende Veränderung im Leben des Menschen ist
das Ergebnis dieser Wechselwirkungen.“
– Im Auftrag Shoghi Effendis
Einzelne sollen als Antwort auf den Aufruf Bahāʾullāhs nicht nur selbst
täglich beten und ihr Handeln reflektieren, ihr Wissen vertiefen und sich
bemühen, uneigennützig und vorurteilsfrei zu sein. Sie sollen Aspekte
eines geistigen Lebens auch in der Gesellschaft stärken, indem sie sich
unter anderem für eine solidarische Kultur einsetzen.
Jedem Einzelnen wird zugesprochen, die eigene geistige Entwicklung
in der Hand zu halten und selbständig die Wahrheit zu erforschen –
einen Klerus gibt es in der Gemeindeordnung der Bahai nicht. Die
Institutionen der Gemeinde sollen die Energien des Einzelnen frei-
setzen, leiten und Aktivitäten koordinieren.
Der Einzelne ist des Weiteren Teil der gesamten Gemeinde, die ent-
sprechend den Bahai-Lehren ein ermutigendes Umfeld bieten soll, in
dem unter anderem eine offene und wertschätzende Beratungskultur
gepflegt wird.
Die Bahai sehen ihr Handeln als Beitrag zur organischen und langfristi-
gen Entwicklung einer friedvollen und gerechten Weltzivilisation.
Dabei betonen sie die Wichtigkeit des schrittweisen Aufbaus einer ge-
einten und dynamischen Gemeinschaft, die alle Menschen und kultu-
relle Vielfalt willkommen heißt und somit durch Erfahrung lernt, wie
das Prinzip der Einheit der Menschheit praktisch umgesetzt werden
kann.
In diesem Zusammenhang unterstützen die Bahai seit 1996 weltweit die
Entwicklung einer Bildungseinrichtung, die an der Basis agiert und
Einzelnen unabhängig von Religionszugehörigkeit ein Lernen über den
Dienst zum Wohl ihrer unmittelbaren Umgebung ermöglichen soll.
Im Zentrum der von den Bahai geförderten Praxis stehen der Dienst an
der Gesellschaft und die Hinwendung zu Gott. Diese werden als un-
trennbare Elemente des Gemeindelebens angesehen. Die Bahai organi-
sieren Andachtsversammlungen, die allen Menschen offenstehen sol-
len.
Der Grundsatz, dass Gebet zum Dienst an der Allgemeinheit inspiriert,
soll zudem dadurch verwirklicht werden, dass Andachtshäuser der
Bahai – die als „Mashriqu’l-Adhkár“ bezeichneten Kuppelbauten mit
neun Eingängen – auch von sozialen Einrichtungen umgeben sind.
Die Familie wird von den Bahai als Keimzelle der Gesellschaft betrach-
tet. Sie soll eine Umgebung bieten, die der persönlichen Entwicklung
zuträglich ist und Kinder zu verantwortungsvollen Menschen erzieht.
Kindererziehung ist zugleich auch der gesamten Gemeinschaft zugetra-
gen.
Bahai-Gemeinden sind aufgerufen, ein Umfeld zu schaffen, in dem
Kinder vorurteilsfrei und weltoffen aufwachsen können. Die Bahai
organisieren gemeinsam mit anderen Unterricht für Kinder über Tu-
genden, damit einhergehende Gewohnheiten und das Wirken der Stifter
der Weltreligionen.
Der Jugend wird im Gemeindeleben und beim konstruktiven Wandel der
Gesellschaft eine herausragende Rolle zugemessen. Der Gemeinde
kommt die Verantwortung zu, Jugendliche zu unterstützen und ihnen
ohne Paternalismus zu begegnen.
„Das Menschenleben hat seine Frühlingszeit und ist mit Herrlichkeit
ausgestattet. Die Jugendzeit ist durch Kraft und Vitalität gekennzeichnet
und hebt sich im Menschenleben als die erlesenste Zeit ab.“
– 'Abdu'l-Baha'
Quelle: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Bahaitum)
Stand: Juni 2024
7.6.2024
Bahāʾullāh - er
bezeichnete sich
selbst als „Bote
Gottes für die
heutige Zeit“…
Bahai-Andachtshaus
in Deutschland …